Montag, 7. Mai 2007
Draussen nur Kaennchen
Die lokale Variante heisst: Sonne scheint, aber an den huebsch gedeckten Tischen gibt es nur Getraenke. Essen nur drin im klimatisierten Mief. Sandwiches zum Mitnehmen bestellen und draussen essen: verboten. "Entweder essen oder sonnen" sagt der charmante Kellner im Frack. Tja, keine Arme, keine Kekse. Koennte fast schon Berlin sein, nur laecheln sie hier wenigstens noch dabei.
Die Subte faehrt werktags ab 10:30 nicht mehr. Und seit heute nacht gibt's auch keine Busse mehr nach 22:00. "Dann seh'n se doch wie se nach hause kommen, wa". Proteste bleiben komischerweise aus, man ist hier Kummer gewoehnt, mit einer U-Bahn, die viel zu selten faehrt, wo die Lueftung nicht funktioniert und alle, die mehr als 7 Stationen fahren, seekrank aussehen. Dafuer soll es ab dem Fruehling Busse fuer Touristen geben, fuer das 50fache des Fahrpreises wird man dann, gaenzlich unbelaestigt von Frauen ohne Arme, Bettlerkindern und HIV-kranken Nicht-Sozialhilfeempfangern, in Doppeldeckern durch die City fahren koennen. Wenn ich zurueckkomme, will ich jedenfalls nie wieder Genoele ueber die BVG hoeren.

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Dämonen
Maria Salome, Jorge Newbery, die Familien Pugliese und Molfino und all die anderen liegen gut. Auf dem Chacarita-Friedhof hat alles seine Ordnung: Wärter am Eingang, Straßennamen, eingeschränkter Autoverkehr, geregelte Zugangszeiten zu den Urnengräbern, die in endlosen Gängen übereinandergestapelt sind. Die Gräber wie im Diesseits: es gibt Reihenhäuser, Bungalows, geräumige Einfamilienhäuser und prächtige Villen mit Kuppel und Engeln obendrauf. Das Amt für das Auflassen von Gräbern ist beängstigend gut ausgeschildert.

Eine alte Frau drückt mir ein "diario a servicio de Dios" in die Hand, ich sehe offenbar bedürftig aus. Tatsächlich finde ich Carlos Gardel nicht, nur einen Cemeterio Aleman. Beim nächsten Mal, Carlitos. Jetzt erst einmal zurück zum Comic, den ich mir auf der Buchmesse gekauft habe: Héctor Germán Oesterheld hat in den 50ern und 60ern Abenteuergeschichten geschrieben wie "El Eternauta". Während der Militärdiktatur wurde er verschwunden, jetzt werden seine Comics wieder aufgelegt.
Abends Dämonen. Dostojewskij, inszeniert von Mitbewohner Gonzalo unter dramaturgischer Mithilfe von Vermieterin Caro. Pflichttermin. Das Teatro Espacio Callejón auf der Humahuaca ist ganz verwinkelt, mit Wendeltreppen und wildem Wein.

Die Inszenierung ist aber auch extrem old school. Man ist das ja alles nicht mehr gewohnt: keine Musik, keine großartigen Licht-oder Nebelorgien, keine Videoprojektionen. Nur: Theater. Dialog, Körpersprache, ein Tisch, zwei Stühle, fertig.
Am Anfang will ich gleich wieder gehen. Das ist mir zuviel Brecht: Arbeiterlieder auf der Gitarre werden da geklampft, dann steigern sich Dialoge urplötzlich zu einem Geschrei, auch das Gerangel und die Gesten wirken künstlich. Erst ab der zweiten Hälfte geht's. Super aber: der pädagogische Selbstmord. Sich umzubringen, nur um die größtmögliche Willensfreiheit des Menschen zu beweisen. Der Frau neben mir gefiel's offenbar gar nicht: sie schnaubte ständig, blickte böse in ihr Dekolleté und scharrte mit den Beinen.
Und ich brauche eine diplomatische Antwort auf die Frage, wie ich's denn fand. Theaterkonservativ: wenigstens ist der Dostojewskij noch zu erkennen. Touristisch: cheee, sehr schwierig zu verstehen, vor allem die lokalen Referenzen.
Genau, so wird's gemacht. Auf ins stinkende Microcentro.

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