Dienstag, 1. Mai 2007
Madres de la Plaza de Mayo
Geburtstag feiern mit einem nierenkranken Ex-Taxifahrer und den Müttern von der Plaza de Mayo:
Rubén mit Murga
Rubén zeigt mir, wie das Metro-Fahren geht (wie überall), und wir laufen im Dunkeln durch das Microcentro. Wie in einer Antiglobalisierungsdoku erheben sich riesige Bankentempel in den Himmel, während am Straßenrand zerlumpte Gestalten im Müll wühlen. Es sieht mondän aus, stinkt aber schrecklich aus den Säcken, die auf die Müllabfuhr warten. Und nach menschlicher Scheiße. Überall warten ordentlich gebündelte Kartons auf die Cartoneros, die nachts aus den Elendsvierteln zum Sammeln kommen.

"Willkommen in Argentinien" sagt Rubén sarkastisch. Er ist Anarchist, jedesmal wenn wir an einer Reihe Polizisten vorbeikommen, murmelt er: "Diebe, Gesindel, Drecksbande". Und das nicht leise. Die Bullen sind's offenbar gewöhnt. An der Plaza de Mayo ist ein Festival: die "Madres", die jeden Donnerstag hier demonstrieren und Gerechtigkeit für die Verschleppten und Ermordeten der Militärdiktatur fordern, tun das jetzt seit 30 Jahren. Riesen Bühne, Tango, Klassik, Latinoschnulz. Ich trinke Quilmes aus der Dose, Rubén Warsteiner, obwohl er gerade von der Dialyse kommt. "Sterbe ich wenigstens glücklich", meint er. Während der Diktatur wurde er auch verhaftet, Musiker, Linker, langhaarig und halb Indio. Während er von seiner Odyssee durch Peru, Bolivien, Kolumbien und die Botschaften Europas erzählt, hält Hebe de Bonafini, die Chefin aller Mütter, eine Rede. Alle schweigen. Viele junge Leute, Familien, Paare, Kinder. Irgendwann schreien alle gemeinsam: "Justicia!" und: "Egal wo ihr euch versteckt, wir werden euch finden!" Für einen Moment liegt eine solche Wut in der Luft, dass ich denke, die reißen gleich alles auseinander hier. Aber dann kommt eine Murga, eine Art Folklore-Polit-Kabarett, mit angemalten Gesichtern. Und alle tanzen.

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