Donnerstag, 3. Mai 2007
Mit Borges unterm Weihrauchbaum
bloggos aires, 12:36h
Spaziergang durch Palermo. An der Plaza Italia liegen Halbstarke in Tote-Hosen-Hemdchen unter diesen Bäumen, von denen niemand weiß, wie sie heißen. Ihre Blätter riechen nach Weihrauch. Passend zur Kirche Sagrada Eucaristía, in der Borges`Schwester Norah das Wandgemälde "Ángeles" gemalt hat. Leider ist es nicht besonders schön.
Gegenüber an der Avda. Gnrl. las Heras ist der Eingang zur Buchmesse. Später. Erst mal draußen: Die Colectivos halten reihenweise, je nachdem ob es ein rápido oder semirápido (halbschnell) ist, winden sich die Schlangen fast bis zum Eingang des Jardín Zoológico. Ich denke an die in der Berliner Innenstadt geplante "Umweltzone". Das Wort Feinstaub dürfte hier ebenso unbekannt sein wie der Katalysator. An einem schwülen Sommertag bestimmt mörderisch.
Der Botánico direkt hinter dem Gewimmel der Avenidas ist traumhaft, wie eine große grüne Oase. Hier sitzt man auf Bänken, liest, redet oder trinkt Mate. Überall sind halbwilde Katzen, die von alten Mütterchen gefüttert werden. Wenigstens sind sie einigermaßen scheu.
Christian reibt sich die Augen, als ich zu unserem Mittagessen um die Ecke biege. Mich außerhalb Deutschlands zu sehen, kriegt er noch nicht hin. Ich habe mich eigentlich schon daran gewöhnt, hier zu sein. So schrecklich anders ist es hier auch wieder nicht. Obwohl: doch. Europa ist manchmal weit weg. Der Telefonladen, in dem ein junges Pärchen mit Baby auf dem Arm mein Handy "deblockiert" und allerlei Geheimnisvolles mehr, hat schon was von, naja, Dritter Welt. Sie liegt hinter einer Plastikschiebetür auf einer zerfetzten Matratze und stillt, während er in den Fernseher starrt, wo ohrenbetäubend "Gran Hermano" läuft. Die Theke ist einmal mittendurch gebrochen und wird von farbigem Tesa zusammengehalten, die Kartons, die Handymodelle bewerben, sind von der Sonne vergilbt. Kaufen kann man hier sowieso fast nichts. Die ganze Szenerie wird von diversen Plastikmadonnen bewacht, deren Farben vor Staub kaum noch zu erkennen sind.
Daneben: eine hippe Boutique an der anderen, ein Sushi, Wohndesign, Frauen in hohen Stiefeln.
Überhaupt: die Frauen.
Es gibt ja so ein Stadtgesicht, das vor allem von Frauen getragen wird und an dem man die Atmosphäre einer Stadt ablesen kann. In Berlin ist es so ein kaltes Gerade-Aus-Starren, fester, möglichst leerer Blick. Auch gerne gesenkter Kopf, in Mitte: leicht geöffneter Mund.
Hier trägt man ein City-Schmollmündchen mit leicht gewölbter Unterlippe. Gerne Lipgloss, dazu: gefährlicher Blick und Haarwurf. Und unbedingt: Bauch rein, Brust raus. Ganz krass. Möglichst wenig Hintern und Oberarm. Eins ist klar: die ganzen Dulce-de-Leche-Gebäcke und Eiscremes, die Torten und Empanadas pfeifen sich die Männer und die Alten rein. Oder die Touristen. Die chica portena isst: Salat. Oder ab und zu einen Toast. Der Style aber ist gar nicht so besonders elegant oder großartig exaltiert. Haben die hier auch nicht nötig.
Die Männer? Hmm. Weiß noch nicht. Viele, wie Mitbewohner Gonzales sind eher so der Typ bärtiger Schluffi, unrasiert, Flipflop, olles Shirt. Oder eben: Business-Man wie Christian, der im karierten Dior-Hemd erschien und seine Kreditkarte etwas zu laut auf den Tisch klatschte.
Wie die Journalisten so aussehen, werd ich gleich sehen. Gleich geht's zu La Nación. Blüschen scheint angebracht. Gefährlicher Blick: brauch ich nicht. Ich hab' Sommersprossen. Der Handy-Mann hat mich tatsächlich gefragt, ob ich Italienerin sei. Naja, Rosenheim ist ja schon fast Oberitalien. Knapp daneben, hab ich gesagt. Alemania. Ob die da bei Big Brother auch so viel weinen würden, wollte er wissen. Nee. Bei uns sitzen ja auch nicht die Mütter mit im Studio und bequatschen die Seelenlage ihrer Containerkinder. Oder?
Jedenfalls zurück zu Borges. Der empfiehlt, die Stadt im Abendlicht zu betrachten: "Der Abend bringt ein leichtes Schwinden unserer Geisteskräfte, und nur dank der Dämmerung können wir die Stadt wirklich in uns aufnehmen... Es gibt gigantische Sonnenuntergänge, die die Unendlichkeit der Strße aufhaben und die selbst er Himmel kaum fassen kann".
Wie recht er hat.
Palermo: fantastisch. Jetzt haben sie mich endgültig gekriegt.
Gegenüber an der Avda. Gnrl. las Heras ist der Eingang zur Buchmesse. Später. Erst mal draußen: Die Colectivos halten reihenweise, je nachdem ob es ein rápido oder semirápido (halbschnell) ist, winden sich die Schlangen fast bis zum Eingang des Jardín Zoológico. Ich denke an die in der Berliner Innenstadt geplante "Umweltzone". Das Wort Feinstaub dürfte hier ebenso unbekannt sein wie der Katalysator. An einem schwülen Sommertag bestimmt mörderisch.
Der Botánico direkt hinter dem Gewimmel der Avenidas ist traumhaft, wie eine große grüne Oase. Hier sitzt man auf Bänken, liest, redet oder trinkt Mate. Überall sind halbwilde Katzen, die von alten Mütterchen gefüttert werden. Wenigstens sind sie einigermaßen scheu.
Christian reibt sich die Augen, als ich zu unserem Mittagessen um die Ecke biege. Mich außerhalb Deutschlands zu sehen, kriegt er noch nicht hin. Ich habe mich eigentlich schon daran gewöhnt, hier zu sein. So schrecklich anders ist es hier auch wieder nicht. Obwohl: doch. Europa ist manchmal weit weg. Der Telefonladen, in dem ein junges Pärchen mit Baby auf dem Arm mein Handy "deblockiert" und allerlei Geheimnisvolles mehr, hat schon was von, naja, Dritter Welt. Sie liegt hinter einer Plastikschiebetür auf einer zerfetzten Matratze und stillt, während er in den Fernseher starrt, wo ohrenbetäubend "Gran Hermano" läuft. Die Theke ist einmal mittendurch gebrochen und wird von farbigem Tesa zusammengehalten, die Kartons, die Handymodelle bewerben, sind von der Sonne vergilbt. Kaufen kann man hier sowieso fast nichts. Die ganze Szenerie wird von diversen Plastikmadonnen bewacht, deren Farben vor Staub kaum noch zu erkennen sind.
Daneben: eine hippe Boutique an der anderen, ein Sushi, Wohndesign, Frauen in hohen Stiefeln.
Überhaupt: die Frauen.
Es gibt ja so ein Stadtgesicht, das vor allem von Frauen getragen wird und an dem man die Atmosphäre einer Stadt ablesen kann. In Berlin ist es so ein kaltes Gerade-Aus-Starren, fester, möglichst leerer Blick. Auch gerne gesenkter Kopf, in Mitte: leicht geöffneter Mund.
Hier trägt man ein City-Schmollmündchen mit leicht gewölbter Unterlippe. Gerne Lipgloss, dazu: gefährlicher Blick und Haarwurf. Und unbedingt: Bauch rein, Brust raus. Ganz krass. Möglichst wenig Hintern und Oberarm. Eins ist klar: die ganzen Dulce-de-Leche-Gebäcke und Eiscremes, die Torten und Empanadas pfeifen sich die Männer und die Alten rein. Oder die Touristen. Die chica portena isst: Salat. Oder ab und zu einen Toast. Der Style aber ist gar nicht so besonders elegant oder großartig exaltiert. Haben die hier auch nicht nötig.
Die Männer? Hmm. Weiß noch nicht. Viele, wie Mitbewohner Gonzales sind eher so der Typ bärtiger Schluffi, unrasiert, Flipflop, olles Shirt. Oder eben: Business-Man wie Christian, der im karierten Dior-Hemd erschien und seine Kreditkarte etwas zu laut auf den Tisch klatschte.
Wie die Journalisten so aussehen, werd ich gleich sehen. Gleich geht's zu La Nación. Blüschen scheint angebracht. Gefährlicher Blick: brauch ich nicht. Ich hab' Sommersprossen. Der Handy-Mann hat mich tatsächlich gefragt, ob ich Italienerin sei. Naja, Rosenheim ist ja schon fast Oberitalien. Knapp daneben, hab ich gesagt. Alemania. Ob die da bei Big Brother auch so viel weinen würden, wollte er wissen. Nee. Bei uns sitzen ja auch nicht die Mütter mit im Studio und bequatschen die Seelenlage ihrer Containerkinder. Oder?
Jedenfalls zurück zu Borges. Der empfiehlt, die Stadt im Abendlicht zu betrachten: "Der Abend bringt ein leichtes Schwinden unserer Geisteskräfte, und nur dank der Dämmerung können wir die Stadt wirklich in uns aufnehmen... Es gibt gigantische Sonnenuntergänge, die die Unendlichkeit der Strße aufhaben und die selbst er Himmel kaum fassen kann".
Wie recht er hat.
Palermo: fantastisch. Jetzt haben sie mich endgültig gekriegt.
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