Sonntag, 6. Mai 2007
Wild at Heart
Rock'n Roll is in town! Motorhead spielen im Luna Park, wo sich einst, so heißt es, die beiden Perons trafen und Maradona heiratete. Die "Nación" feiert 30 Jahre Punk. Auch hier scheint der Punk endgültig musealisiert und im Feuilleton angekommen zu sein.

Auf der Avenida Santa Fe kann man sich eine hübsche kleine Punker-Identität zusammenkaufen. Die "Bond Street" ist ein Warenhaus der Subkultur. Bezaubernd aufgerüschte Grufties, kleine Skater, magere Latex-Damen mit prächtigen Arschgeweihen, wilde Tätowiermänner und Fifties-Totenkopf-Petticoat-Mädchen flanieren zwischen Piercingstudio, Armeefetischladen und Tätowiermuseum. Toll. Kreuzberg, Sankt Pauli und "soochoo", wie man hier sagt.
"Lovers and Fuckers" heißt ein Laden, man hört Peaches, kuckt durch das Fenster tapferen Machos zu, wie sie sich Brust, Rücken und Wade stechen lassen.


Wie ein leicht pummeliges Gespenst taucht plötzlich der Fotograf mit dem seltsamen Sexualmodell auf. Er weiß, wo die Tattoos am besten sind, lädt zu allerlei Kunst-Events ein und beschreibt noch schnell, wie sich die gefühlsmäßige Zuschreibung des Barrio Norte mit den willkürlichen Grenzziehungen der Stadtregierung reibt.
Auf dem Spielplatz hinter dem Centro comercial loco eine Schar Grufties, die einem Schwarm Krähen gleich, auf den Schaukeln in den Abendhimmel schwingen. Pittoresk. Im colectivo eine junge India-Mutter, die ausgelassen mit ihrem Kleinkind singt und schmust und voller Mutterstolz alle anstrahlt. Da geht nicht nur Frau von der Leyen das Herz auf.
Eine Street Art Bar gibt es, die Wände bedeckt mit Millionen von Stencils, aber die Holzstühle erinnern an eine mexikanische Cantina. Aus den Boxen der ewige Bob Marley, could anyone please satisfy his fucking soul so that he'll shut up forever?? Ein irischer Zauberkünstler bietet Tricks mit Orangen dar, geraucht werden darf nur draußen, der Negroni, den ich bestellt habe, müsste eigentlich unter das Betäubungsmittelgesetz fallen. Zum Glück sind wir nicht die einzigen, die blau durch Palermo laufen.
Und dann noch die alte Dame vom Eisladen um die Ecke. "Muy rico", sagt H. zu ihrem Zitronensorbet. "Rico fue mi marido" erwidert die Lady und grinst sich eins. Ich schwöre, sie hat das gesagt.

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