Sonntag, 20. Mai 2007
55
"Da vorn an der Ecke hält der 55er. Du brauchst den in diese Richtung". Rubén zeigte die Straße lang, wo die Stände der Feria von Mataderos aufhörten. "Krieg ich hin", sage ich, er schmatzt mir den lila Glitzer seiner Murga-Gesichtsbemalung auf die Wange und geht nach dem Auftritt noch mit den Kollegen feiern. Bus kommt, Richtung stimmt. Bus brettert über Schlaglöcher, wird immer voller. Nach einer halben Stunde kriege ich einen Sitzplatz mit Sicht aus dem Fenster. Irgendwie sieht da draußen alles so komisch aus: Die Straßen haben keine Namen mehr, der Himmel hängt voller Elektrokabel, alles ist bunt, dicht gedrängt und schäbig. Eine Villa. Hm, komische Route, die der Bus ins Zentrum nimmt. Immer mehr Passagiere ohne Zähne, immer jüngere Mütter mit immer mehr Kindern, immer größere Tattoos und dickere Muskeln. Draußen: gar nicht mehr freundlich. Scheiße. Falsche Richtung. Und die Sonne sinkt.

Da steh ich an einer Schnellstraße in der Dämmerung mit meiner Kamera in der Hosentasche, pinkeln muss ich auch. Und ein sehr bulliger Hund mit bulligem Besitzer schnüffelt an meinem Bein. Beide ohne Maulkorb, ich lächle dümmlich und versuche, ganz entspannt auszusehen. Bus kommt, nochmal die ganze Tour in die andere Richtung. Dicht vor mir ein Fußballtrikot eines mir unbekannten Vereins. Grün-blau gestreift. Der Mann der drinsteckt, hat ein Profil wie ein griechischer Gott. Wow. Ich wünsche mir größere Schlaglöcher, die ihn auf meinen Schoss fallen lassen. Ein kleines führt immerhin dazu, dass er mir auf den Fuß latscht. "Macht nix", schnurre ich. Grüne Augen! Von vorn sieht er noch besser aus. Bei der nächsten Kurve hält er sich an meinem Arm fest und entschuldigt sich wieder. Breit grinsend. Jetzt belauern wir uns von der Seite, jedesmal, wenn ich nicht rechtzeitig weggucke, zwinkert er mir zu. Ich habe völlig vergessen, wie dringend ich aufs Klo muss, von mir aus könnte der Bus jetzt noch schön bis nach Patagonien fahren. Ich überlege gerade, ob er wohl halber Schotte ist oder Norditaliener, weil seine Haare so hell sind. Rotbraun.
"Sag mal", meint er plötzlich und zieht sein Handy aus der Tasche. "Willst du mir nicht deine Num..."
An der Haltestelle drängt sich eine Riesen Menge zur Tür raus. Von vorn drücken sie nach. Er landet am anderen Ende des Busses. Immer mehr Leute, Taschen, Kinder.
An der viertnächsten Haltestelle sehe ich ihn wieder. Draußen. Er winkt und zuckt mit den Schultern.
Jetzt muss ich aber wirklich aufs Klo.

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Wunschdenken?!
klingt schon fast filmreif...wie wird es wohl enden? Werden sie sich wiedersehen? Vielleicht zufällig an einem Ort in Patagonien? Seufz.

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