Donnerstag, 31. Mai 2007
Weisheit
des Internets: "Geschoss" gefällt mir gut, für dieses gewalttätige Übel, das meine Lenden heimsucht.
Was mir ausserdem gefällt, um mal was Positives zu schreiben, schliesslich soll das hier kein Lazarett-Tagebuch werden:
Die bezaubernden Namen meiner beiden Kollegen, die da heissen:
Loreley Gaffoglio, der perfekte Nom de Guerre für eine Kunstkritikerin will ich meinen.
Und Jesús Cornejo. Zumal der Herr eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Filmhelden des gleichen Vornamens besitzt. Bowling und so.
Auch schön: die beiden Weisheiten des Korrespondenten.
"Wenn du die Menschen und die Politik in diesem Land verstehen willst, musst du zwei Dinge beachten", sprach er.
"Erstens: Jedes Ding kann gleichzeitig an zwei verschiedenen Orten sein.
Zweitens: Wenn irgendwo fünf Deutsche versammelt sind, gründen sie einen Verein. Sind es fünf Argentinier, gründen sie erst einen Verein, dann einen zweiten, schliesslich tritt einer aus und gründet einen dritten Verein gegen die beiden anderen."
Am Sonntag wird hier nämlich gewählt. Und ich versteh´s einfach nicht: Alle, alle sind sie Peronisten. Alle behaupten, irgendwie links zu sein, auch der Konservative. Und hinter einer Vielfalt von Listen und Kandidaten verstecken sich in Wirklichkeit nur zwei Parteien. Gut, dass der Korrespondent den Überblick hat: Er lässt dich übrigens schön grüssen, Claudius.

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Ischias
"Es la humedad que mata", sagt der Volksmund: Die Feuchtigkeit bringt einen um.
Genauso kommt es, Stück für Stück frisst sich die ekelhaftige Feuchtigkeit und Zugluft in meine alternden Knochen. Gestern mit einem unglaublichen Hexenschuss, Ischias, was weiss ich, aufgewacht.
15 Minuten fürs Schuhe Anziehen. Tränen. Spritze.
Sogar mit Katze im Bett geschlafen, Schmerz besiegt Ekel. Und nicht alle Tage hat man eine Mitbewohnerin, die aufopferungsvoll das Zimmer tauscht, damit Mutti ihre kranken Knochen auf eine echte Matratze betten kann.
Aber die kriegen mich nicht klein.
Ich weiss ja zufällig, dass unter den geschätzen Leserinnen diese Blogs ein paar Hexenschuss-Spezialisten sind: Wo ist eigentlich der Unterschied zwischen dem einen und dem Anderen? Wo sitzt der Ischias, kann man sich den auch entfernen lassen? Kann das wirklich von einer feuchten, durchgelegenen Matratze kommen? Und wirds zur Hochzeit wieder gut?

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Dienstag, 29. Mai 2007
Mama
Es gibt Tage im Leben einer reisenden Reporterin, die sind nicht schön: Aufgewacht, alles tat weh. Der Rücken von der fiesen durchgelegenen Matratze. Der Hals von den ewigen Katzenhaaren. Und weil nachts die nicht schliessende Tür wieder aufgesprungen ist. Und das in der kältesten Nacht des Jahres. Die Katze hat schon wieder in die Dusche gekackt. Und nirgens ist Ruhe: in der Küche frühstückt die Putzfrau, die diesmal ihre Tochter mitgebracht hat. Kein Platz für mich. Auch keine Wohnung für mich. Ich sehne mich nach einem Hotel mit blütenweisser gestärkter Bettwäsche und einem King Size Bed. Bald bin ich so weit, in eins dieser Day Spas zu flüchten, um mir Talasso, Feng Shui und anderen Wohlfühlkram auf die Seele schmieren zu lassen.
Draussen zieht es erbärmlich, das Museum der Immigration, wo ich schon lange mal hinwollte, erweist sich als lange, eiskalte Halle, in der lieblos ein paar Koffer, Abstammungsurkunden und Originaltrachten drapiert sind. So wie gestern, bei La Chapelle im MALBA: Alles in drei Reihen übereinander gehängt, und fast nur die Celebritys, so dass aus dem coolen Kitscher einfach nur ein Hollywood-Bonbononkel wurde.
Aber am Freitag geht's erst mal nach Montevideo. Hoffentlich lassen sich da die Türen schliessen.

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Sonntag, 27. Mai 2007
Cancha und Boliche
Mein erstes Fussballspiel: Wo, wenn nicht hier?
Allerdings nicht aus der Bonbonera, dem Bonbonschachtel-Stadion von Boca genascht, sondern schön ins Estadio Monumental von River Plates: 65.500 Plätze, Trommler, Hotdogbuden und Fan-Devotionalien. Aber kein Bier. Stimmung entfaltet sich auch ohne, sogar bei einem Freundschaftsspiel wie dem gegen Wolfsburg zur 150-jährigen Völkerfreundschaft Argentinien-Deutschland. Habe den Club Berlin nicht gehört, als das 2:1 Tor fiel. Dafür aber die "hinchas" (Fussballfanatiker) neben mir: "El que no salta es alemán". Und allerlei über Mütter, weibliche und männliche Geschlechtsteile in Verbindung mit der gegnerischen Mannschaft. In der Pause viel schwule Musik: Queen, Pet Shop Boys...ich wusste doch schon immer, dass Fussball ein durch und durch queerer Sport ist.
Danach Feuerwerk und Verlosung eines VWs, am hübschesten fand ich das omnipräsente Logo auf den weißen Shirts der durchtrainierten Trommler. Wie das Spiel war? Keine Ahnung, mir fehlte der Kommentator.
Zu Abrundung des Argentinischen Thementags mit Mitbewohnerin H. ins Nachtleben von Palermo geworfen.
Erst stylo: Präsentation eines Buchs über die Berliner U-Bahn in einer alten Bananenfabrik. Die Geschichte geht so: ein Grafiker aus B.A. reist nach Europa, bleibt in Berlin hängen, fährt viel U-Bahn, begegnet den seltsamsten Gestalten, schläft in der Ringbahn ein und verliebt sich in das gelbe Gefährt. Rausgekommen ist ein schickes kleines Buch mit filigranen Tuschegrafiken und einem Einband mit Sitzbezugmuster. Ich gratuliere dem Herrn, der schon schwer betrunken ist vom Gratiswein und dem Publikum. Und sehr glücklich: Adidas hat ihn als Designer engagiert. In Deutschland

Das Glück liegt vielleicht in Herzogenaurach oder im Espacio Björk, wo es Designerklamotten zu H&M-Preisen und Dildos in Form von quietschgrünen Maulwürfen gibt.
Oder im "Bangalore", wo man fast im Dunklen steht und exzellenten Gin zu Indierock serviert kriegt.
Wo das Glück jedenfalls nicht liegt: in der Schlange vor dem "Esperanto", wo Models mit Somberos und Zuhältertypen aus dem Taxi reinhüpfen, alle anderen aber zwei Stunden (!) Schlange stehen.

Drinnen sehr viele sehr betrunkene Menschen, Fernet Branca mit Cola und die Erkenntnis, dass sich der gemeine Argentinier männlichen Geschlechts in der Boliche in einen Hai verwandelt. Oder wie nennt man sonst Geschöpfe, die in Schwärmen von allen Seiten attackieren, von hinten an den Arsch fassen, von links schreien, "Kiss me, kiss me! Linda!" und von vorn die immergleichen Fragen stellen: Arbeitest du oder machst du Urlaub? Gefällt dir die Stadt? Und wie gefalle ich dir? Wollen wir nicht...
Nee, nee, wollen wir alles nicht, aber zu Electro-Cumbia tanzen macht großen Spass. Einmal.
Auf der Nachhausefahrt ein schrecklicher Unfall.

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Quality Street
Die Stadt: Eine Bonbonschachtel.
Jeden Tag was Neues rausfischen, probieren, lecker finden. Oder schrecklich.
Sehr lecker: Boedo, Once, Abasto.
In die Nationale Boxakademie kann man einfach so reinspazieren. Eine abgeranzte Halle im 30er-Jahre-Stil voller Schweiss und Muskeln. Jungs, die draußen nicht viel zu melden haben, zeigen Sandsack und Gegner, wo der Gaucho sein Steak holt. Darunter auch ein paar Mädchen, Million Dollar Babys.
Direkt gegenüber abwechselnd Stundenhotels und versiffte Tango-Schuppen mit Publikum, das schon viel bessere Tage gesehen hat. Um die Ecke das großartige, überelegante Café Las Violetas, mit Torten so groß wie die Kronleuchter.
Das Kulturzentrum in der selbstverwalteten Aluminiumfabrik IMPA existiert nicht mehr, sagt der Mann an der Pforte. Jetzt werde hier wieder ordentlich gearbeitet, Schluss mit Zwischennutzung.

In der politikwissenschaftlichen Fakultät der UBA wird hingegen noch der gute, alte Klassenkampf hochgehalten. Und die Kunst der agitatorischen Wandmalerei. Einen RCDS gibt es hier garantiert nicht, dafür viele, viele, viele Transparente und garantiert keinen Leerlauf zwischen den Seminaren. Denn irgendwo gibt es immer etwas anzuprangern.

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